Erbrechtsirrtum Nr. 4: Wer vor seinem Tod alles verschenkt, verhindert Streit ums Erbe.

Der alte Grundsatz, man solle besser zu Lebzeiten geben, statt sein gesamtes Vermögen erst nach dem Tod den Erben zufließen zu lassen, hat auch heute noch seine Berechtigung. Wer früh damit beginnt, sein Hab und Gut auf seine Erben zu übertragen, mindert nicht nur die Steuerlast potenzieller Erben. Er kann durch solche Geschenke – sogenannte „lebzeitige Verfügungen“ – auch unliebsame Erbberechtigte/Pflichtteilsberechtigte „ausbremsen“. Denn alles, was dem Erblasser bei dessen Tod nicht mehr gehört, schmälert dessen Vermögen und damit auch die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten.

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der „Plan“ der Entreicherung nur aufgeht, wenn zwischen den lebzeitigen Verfügungen und dem Tod des Schenkenden mindestens zehn Jahre liegen.

Hat der Erblasser hingegen erst kurz vor seinem Ableben zum Beispiel ein Grundstück übertragen, greifen die Regelungen zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten. Damit ihnen nicht ihre „angemessene Beteiligung am Nachlass“ verlorengeht, gewährt das Gesetz den nächsten Angehörigen einen sogenannten „Pflichtteilsergänzungsanspruch“. Das bedeutet: Alles, was der Erblasser in den zehn Jahren vor seinem Tod verschenkt, können die Pflichtteilsberechtigten – zumindest in Teilen – in Geld ersetzt verlangen.

Zu beachten ist dabei jedoch, dass sich die Ausgleichsansprüche immer mehr reduzieren, je länger die Schenkung zurückliegt. Überträgt etwa der Erblasser am Vorabend seines Todes ein wertvolles Grundstück auf seine Haushälterin, können die insoweit enterbten Kinder von der Haushälterin ihren vollen Pflichtteil in Geld ersetzt verlangen.

Anders liegen die Dinge, wenn die Schenkung länger zurückliegt. Um zu verhindern, dass ein Gegenstand, den der Erblasser beispielsweise neun Jahre, elf Monate und drei Wochen vor seinem Tod verschenkt, vollständig ersetzt werden muss, sinken die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten im Jahresturnus – und zwar um zehn Prozent pro Jahr; nur eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall fließt daher voll in die Berechnung des Nachlasses ein, im zweiten Jahr kann der Pflichtteilsberechtigte nur noch 90 Prozent des Wertes verlangen, im dritten Jahr 80 Prozent und so weiter.

Um zu verhindern, dass es nach seinem Tod zum Streit kommt, kann der spätere Erblasser mit den Pflichtteilsberechtigten einen notariellen Vertrag schließen, in dem die Parteien vereinbaren, dass gegen Zahlung einer Abfindung auf das Pflichtteilsrecht verzichtet wird.