Immer wieder und immer wieder: Die 10 größten Erbrechtsirrtümer, Erbrechtsirrtum Nr.1: Wer will, kann seine Familie vollständig enterben.

Erbrechtsirrtum Nr.1: Wer will, kann seine Familie vollständig enterben.

Jeder Deutsche hat grundsätzlich das Recht, anstelle seiner Familienangehörigen beispielsweise seine zuvorkommende Sekretärin oder die Mitglieder seiner wöchentlichen Tennisrunde oder jeden beliebigen weiteren Dritte zu seinem Alleinerben zu ernennen. Wer möchte, kann auch nur seinen einzigen liebsten Verwandten im Testament bedenken.

Leer geht die testamentarisch nicht bedachte Familie aber selbst dann nicht aus.

Das Gesetz garantiert den nächsten Angehörigen des Verstorbenen einen Mindestanteil am Vermögen des Erblassers, den Pflichtteil. Er beträgt in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ein Beispiel: Ein verwitweter Unternehmer hat außer seinen beiden Töchtern keine Verwandten. Sein Vermögen beläuft sich auf eine Million Euro. In seinem Testament bestimmt er seine jüngste Tochter zur Alleinerbin.

Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge hätten beide Kinder zu gleichen Teilen geerbt, also jedes Kind eine halbe Million. So erhält die enterbte Tochter nur die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils und muss sich mit 250.000 Euro begnügen.

Allerdings können nicht alle Familienmitglieder ein Pflichtteilsrecht geltend machen. Der Pflichtteil steht nur den nächsten Angehörigen zu. Dies sind die Abkömmlinge des Toten, also eheliche, nichteheliche und adoptierte Kinder. Sind diese Abkömmlinge bereits verstorben, treten die Enkel beziehungsweise die Urenkel an deren Stelle. Gibt es keine Abkömmlinge, erben die Eltern bzw. Großeltern. Auch Ehegatten und Lebenspartner haben einen Pflichtteilsanspruch; allerdings muss die Ehe oder Partnerschaft zum Zeitpunkt des Todes noch bestehen. Die Geschwister des Erblassers hingegen sind nicht pflichtteilsberechtigt und gehen, so das Testament nicht eine diesbezügliche Regelung trifft, ohnehin leer aus.

Obwohl durch diese Regelungen nicht immer dem Willen des Erblassers entsprochen wird, scheiterten bisher alle Klagen gegen das Pflichtteilsrecht am Bundesverfassungsgericht.

Eine Entziehung aller Rechte und damit auch des Pflichtteils ist daher nur in jenen Fällen möglich, die das Gesetz ausdrücklich bestimmt. Dafür muss der Pflichtteilsberechtigte sich allerdings so schwere Verfehlungen leisten, dass die Tatbestände in der Praxis nahezu bedeutungslos sind. Nur wer dem Erblasser, dessen Ehegatten, Lebenspartnern oder Kindern „nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht“, muss damit rechnen, nach dem Tod dieser Verwandten leer auszugehen. Die Möglichkeit, den eigenen Vorfahren oder Nachkommen ihr Mindesterbe, den Pflichtteil, wegen eines „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ zu entziehen, ist im Zuge der letzten Erbrechtsreform hingegen entfallen. Sie erschien dem Gesetzgeber nicht mehr zeitgemäß.

 

Fortsetzung folgt.

Schenkungen an die Erben: Vorweggenommene Erbfolge

Von „vorweggenommener Erbfolge“ sprechen Juristen, wenn eine Person einen Teil ihres Eigentums noch zu Lebzeiten an Familienmitglieder verschenkt, die das Vermögen im Erbfall ohnehin erhalten würden.

Mit Schenkungen bis zum Wert des steuerlichen Freibetrages lassen sich im besten Fall sogar relativ hohe Vermögenswerte steuerfrei übertragen, denn eine (beschenkte) Person kann beispielsweise alle zehn Jahre den ihr zustehenden (Schenkungssteuer-)Freibetrag erneut nutzen; aber eben nur einmal erben. Dieser Freibetrag beträgt derzeit – bei Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer in identischer Höhe – für Ehegatten 500.000,00 €, für Kinder jeweils 400.00,00 €, für Enkelkinder grundsätzlich noch 200.000,00 € und für den Freund oder die Freundin sogar nur noch 20.000,00 €.

Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge lässt sich jedoch nicht nur eine Reduzierung der Steuerlast erreichen, sondern auch die Erhaltung des Familienvermögens, die Versorgung des Schenkers und seiner Familie sowie die Minderung von Pflichtteilsansprüchen.

Wirtschaftliche Einheiten, wie zum Beispiel Immobilien und Grundbesitz oder Unternehmen, Gesellschaften, Betrieb, Firmen, etc. werden bei Streit unter den Miterben nicht selten zerschlagen, um alle (pflichtteilsberechtigten) Erben finanziell abzufinden („auszuzahlen“). Eine gut strukturierte lebzeitige Übertragung auf die nächste Generation kann nicht nur eine Zersplitterung von Vermögenswerten verhindern, sondern insbesondere Streit unter den Angehörigen über die Verteilung des Nachlasses vorbeugen.

Ein weiterer guter Grund für die Übertragung von Vermögen ist, dass der Schenker „im Gegenzug“ beispielsweise von seinen Kindern für sich und etwaig seinen Ehe- oder Lebenspartner Leistungen für die Versorgung im Krankheits- und Pflegefall einfordern und noch zu Lebzeiten beider Elternteile vertraglich absichern kann. Bei einer Pflegeverpflichtung, die der Beschenkte übernimmt, sollte man den Umfang und Inhalt der geschuldeten Pflegeleistung so präzise wie möglich festlegen; hier hilft eine anwaltliche oder notarielle Beratung.

Des Weiteren sind gerade Grund- und Immobilienbesitz sowie der Besitz von Betrieben und Unternehmen dadurch gekennzeichnet, dass diese zwar oft einen relativ hohen wirtschaftlichen (Verkehrs-)Wert haben, im Erbfall aus ihnen aber nur sehr schwer liquide Mittel zur Begleichung etwaiger Erb- oder Pflichtteilsansprüche von Familienmitgliedern erzielt werden können. Ziel einer vorweggenommenen Erbfolge sollte es demgemäß auch sein, beispielsweise gemäß § 2346 BGB vertragliche Regelungen zum Ausschluss oder zur Reduzierung etwaiger Erb- oder Pflichtteilsansprüche zu treffen. Der Verkauf einer oft seit mehreren Jahrzehnten bewohnten „Familienimmobilie“, nur um Erb- oder Pflichtteils-ansprüche zu erfüllen, kann so vermieden werden.

Zur etwaig gewünschten Absicherung des Schenkers empfiehlt es sich des Weiteren, einen Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalt, Verfügungsbeschränkungen, eine Pflichtteils-anrechnungsklausel gemäß § 2315 BGB, eine Rückfallklausel, Ausgleichspflichten zwischen

beschenkten und nicht beschenkten Kindern sowie etwaige Rentenzahlungen der Beschenkten an den Schenker vertraglich zu Lebzeiten zu regeln. Da diese Regelungen erhebliche rechtliche und tatsächliche Auswirkungen haben, sollten Sie sich deshalb deren rechtliche und tatsächliche Konsequenzen ausführlich von einem Rechtsanwalt oder Notar darlegen lassen.

Gerade bei der Zuwendung einer Immobilie kann es sich empfehlen, dass der Schenker sich ein lebenslanges Wohn- bzw. Nutzungsrecht vorbehält. Dabei wird der Beschenkte zwar Eigentümer, kann aber die Immobilie selbst nicht bewohnen oder vermieten. Etwaige Mieteinnahmen stehen gemäß § 1030 BGB alleine dem sog. Nießbrauchsberechtigten, dem Schenker, zu; dieser kann die Immobilie selbst bewohnen oder eben auch vermieten. Wer die gewöhnlichen Unterhaltungskosten (insbesondere Modernisierungs-, Reparatur-, Heiz- und Betriebskosten) der Immobilie trägt, kann in dem zugrundeliegenden notariellen Vertrag vereinbart werden. Alternativ zum sog. Nießbrauchsrecht kann auch – nur – ein Wohnrecht des Schenkers vereinbart und im Grundbuch eingetragen werden; der Wohnrechtsinhaber/Schenker kann die Immobilie dann (lebenslang) bewohnen, aber nur mit Zustimmung des Beschenkten vermieten.

Will der Schenker des Weiteren verhindern, dass der Beschenkte über die Zuwendung frei verfügen kann – der Beschenkte beispielsweise die „Familienimmobilie“ oder das Familien-unternehmen doch verkaufen will – müssen entsprechende Beschränkungen in den Schenkungsvertrag aufgenommen und durch eine Rückfallklausel abgesichert werden. Darüber hinaus kann durch eine derartige Rückfallklausel auch erreicht werden, dass im Fall des Vorversterbens des Beschenkten ohne Hinterlassung eigener Abkömmlinge die Immobilie an den Schenker zurückfällt.

Ist der Beschenkte gegenüber dem Schenker gemäß § 2303 BGB pflichtteilsberechtigt, so könnte – und sollte – im Schenkungsvertrag festgelegt werden, dass die Schenkung an den Pflichtteilsberechtigten auf dessen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß §§ 2315, 2327 BGB anzurechnen ist.

Weiterhin sollte bei Schenkungen an nur eines von mehreren Kindern im Schenkungsvertrag klargestellt werden, ob die betreffende Schenkung gegenüber den weiteren (nichtbeschenkten) Geschwistern gemäß § 2050 BGB vom Beschenkten auszugleichen ist oder nicht.

Letztlich gibt es für den Fall, dass der Verschenkende finanzielle Mittel benötigt, um seinen Lebensunterhalt zu sichern oder zu verbessern, die vertragliche Regelungsmöglichkeit, mit dem künftigen Eigentümer (dem Beschenkten) eine von diesem an den Verschenkenden zu zahlende Rente zu vereinbaren, wobei hier die Vertragsparteien (Schenker und Beschenkter) über Höhe und Laufzeit der monatlichen Zahlungen frei entscheiden können.

Erbschaftssteuerrecht – Erwerb des Familienheims von Todes wegen –

Geht ein Familienheim von Todes wegen über, ist dieser Erwerb unter bestimmten Voraussetzungen für Ehegatten und Kinder als Erwerber steuerbefreit. Dabei muss der Erblasser bis zu seinem Tod auf einem bebauten Grundstück eine Wohnung oder ein Haus zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben. Unschädlich ist dabei, wenn der Erblasser aus objektiv zwingenden Gründen daran gehindert war, das Haus selbst zu nutzen.

Der Erwerber muss allerdings mit der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken unverzüglich nach dem Tod beginnen. Dies erfordert, dass er in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Dabei genügt auch, wenn er, z. B. als Berufspendler, mehrere Wohnsitze hat, das Familienheim aber seinen Lebensmittelpunkt bildet.

Nutzt der Erwerber das erworbene Familienheim nicht über einen Zeitraum von zehn Jahren zu eigenen Wohnzwecken, fällt jedoch die Steuerbefreiung weg. In diesem Fall kommt es zu einer Nachversteuerung. Gründe für den Wegfall sind etwa der Verkauf des Familienheims, dessen Vermietung, ein längerer Leerstand oder eine unentgeltliche Überlassung an andere Personen. Für Kinder als Erwerber eines Familienheims von Todes wegen hat der Gesetzgeber eine Begrenzung der Wohnfläche vorgesehen, die Wohnfläche der Wohnung darf 200 qm nicht übersteigen. Für Ehegatten gilt diese Einschränkung nicht.

Probleme der Testierunfähigkeit

In der Praxis des Notariats stellt sich häufig die Frage, ob derjenige, welcher ein Testament errichten möchte, testierfähig ist. Testierfähigkeit nennt man die Fähigkeit, ein Testament wirksam zu errichten, abzuändern oder aufzuheben. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn der Testierende das 16. Lebensjahr vollendet hat, § 2229 Abs. 1 BGB. (mehr …)